Gesund leben? Wie asozial von dir!

Gesund leben? Wie asozial von dir!

Wer heute auf seine Gesundheit achtet, handelt im Grunde zutiefst unsozial. Denn mit jedem Smoothie, mit jeder Joggingrunde und jedem Verzicht auf Chips und Cola gefährden wir unseren Sozialstaat.

Wenn wir später krank werden – oder schlimmer noch: gesund alt bleiben – müssen unsere Kinder länger schuften, um unsere Renten zu finanzieren. Was für ein Egoismus! Gesunde Menschen ruinieren den Generationenvertrag, weil sie nicht planmäßig mit Mitte 70 an den klassischen Zivilisationskrankheiten sterben. Stattdessen sitzen sie vital im Schrebergarten, während andere für ihre Rente buckeln. Skandalös.

Und was ist mit der Wirtschaft? Wenn wir alle plötzlich anfangen würden, auf Kinder-Schokolade, Gummibärchen, die gute alte 5-Minuten-Terrine und die braune Zuckerbrause zu verzichten – was passiert dann mit Nestlé, Haribo und Coca-Cola? Richtig: Die müssten reihenweise Mitarbeiter entlassen. Ganze Schichten von Süßwarenexperten, Zuckerchemikern und Verpackungsdesignern würden in die Arbeitslosigkeit stürzen. Und wofür? Für ein bisschen weniger Bauchspeck?

Gut, man könnte diese Leute dann zum Pflegepersonal umschulen. Schließlich werden wir in einer gesunden Gesellschaft ja noch älter – und brauchen mehr Betreuung. Aber bei knappen Kassen gibt's dafür natürlich nur Mindestlohn, plus 12 bis 20 Überstunden die Woche. Na dann: frohes Schuften!

Richtig gefährlich wird es aber, wenn wir anfangen, durch gesunde Ernährung und Bewegung Glückshormone zu produzieren. Denn Menschen, die sich wohlfühlen, kaufen weniger Zeug. Wer in sich ruht, braucht keine Statussymbole. Keine neuen Smartphones, keine monatlich wechselnden Modekollektionen, keine nervig flimmernden Flatscreens. Zufriedenheit ist der Tod des Konsums. Und mit dem Konsum fällt ein ganzes Kartenhaus von Arbeitsplätzen: Wer verkauft denn dann all die Dinge, die wir eigentlich gar nicht brauchen?

Wer sich gesund ernährt, regelmäßig Sport treibt und vielleicht sogar glücklich ist, handelt im Grunde zutiefst asozial. Die Gesellschaft braucht kranke, unzufriedene Konsumenten – nicht resiliente Menschen mit innerer Balance.

Also los: Noch ein Energy-Drink, eine Tiefkühlpizza, Couch statt Joggingrunde. Für den Kapitalismus. Für die Arbeitsplätze. Fürs Vaterland.